Vermächtnis 1982
- auch ein erdgeschichtliches Dokument
von Horst Müller
46 Tonnen schwer
4 m hoch
Standort: Schützenplatz Schmallenberg
Auf dem Schützenplatz der Stadt Schmallenberg, in ihrem Mittelpunkt, wurde im Jahr 1982 durch Carl Siebert eine Naturstein-Skulptur geschaffen, die an die Erhebung Schmallenbergs zur Stadt im Jahre 1244 erinnert. Das Denkmal besteht aus zwei mächtigen, zum Teil bearbeiteten Felsblöcken, einem hohen Sockel, auf dem ein zweiter Fels ruht. Da letzterer mit seiner Längsachse quer zur Basis angeordnet wurde und an einem Ende eine deutliche Abschrägung zeigt, erhielt das Monument im Volksmund schon bald den Namen „Schmallenberger Hammer“.
Die Frontseite des Denkmals trägt eine Darstellung des historischen Ereignisses. In klaren Linien gravierte der Künstler die Übergabe der Gründungsurkunde durch den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden an die Vertreter Schmallenbergs inmitten von Repräsentanten der mittelalterlichen Gesellschaft in das Gestein: ein Stück Stadtgeschichte, eine Episode der Menschheitsgeschichte, wurde durch die Hand des Künstlers einprägsam wiedergegeben.
Nur selten wird dem von der künstlerischen Konzeption des Denkmals, vielleicht auch von der Bedeutung der dargestellten Begebenheit gefangenen Betrachter bewußt sein, daß auch das „Medium“, der die Gravur tragende graue Fels, einen Blick in die Vergangenheit öffnet und dem Kundigen eine Episode aus der erdgeschichtlichen Vorzeit des Sauerlandes erzählt.
Erklärung des Künstlers:
Auf dem oberen Stein sehen wir in der Mitte thronend Konrad von Hochstaden, der die Gründungsurkunde an den Bürgermeister Regenhard übergibt. Hinter dem knienden Regenhard der Abt des Benediktinerklosters Grafschaft, als Kronzeuge. Daneben der Kämmerer, der gleichzeitig auch den reichen Kaufmann symbolisiert. Links neben dem Erzbischof der flämische Narr, der seinen Herrn auf allen seinen Reisen begleitet. Links davon ein honorabler Ritter mit dem Banner des Kölner Herrschers. Daneben der Ritter und Burgmann Johann Kolve – und ein weiterer Ritter. Figuren am Rande vervollständigen das Bild. Ein Bettler, eine Bürgerin und ein Wachtposten. Auf dem unteren Stein sehen sie Bauern und Handwerker aus Schmallenberg. Kämpfende Knappen, Kriegsknechte und Burgmänner. Zu den kämpfenden und fallenden Männern: Man muß wissen, dass diese leibeigenen, und um solche handelt es sich hier, ihr ganzes Leben lang von ihrem Lehnsherrn abhängig waren. Sie bezahlten mit ihrer Kampfkraft, selbst bis zum Einsatz ihres Lebens. Symbolisch dargestellt auf dem unteren Stein. Diese ehemaligen germanischen Krieger sind nun die Streiter und Kämpfer der Nachfolgestaaten des Großfränkischen Reiches. Sie leben nun nicht nur in einer gläubigen Welt, sondern auch in einer angsterfüllten Welt der Dämonen. Tod, Teufel und Dämonen lauern überall, und das fällt bei dem kultischen Germanengeist auf fruchtbaren Boden. Kampf, Not und Tod waren immer in physischer Nähe. So ist auch der lateinische Spruch vom Grabe eines mittelalterlichen Ritters zu verstehen:
Quod fuimus, estis, - quod sumus, eritis. Was wir waren, seid ihr,- was wir sind, werdet ihr sein. )
Erklärung des Steins:
Die beiden Gesteinsblöcke stammen aus einem Steinbruch auf dem Nordhang des Felsberges östlich Berge. Hier werden pauschal als „Diabase“ bezeichnete Gesteine abgebaut und zu Splitt verarbeitet. Mineralogisch handelt es sich bei dem grauen oder hellgrauen, mit einer porös oder zellig angewitterten Oberfläche versehenen Gestein des Schmallenberger Denkmals nicht um einen Diabas, ein aus einer basaltischen Lava hervorgegangenes Erdgussgestein, sondern um einen Diabas-Tuff, ein bei einer vulkanischen Eruption entstandenes Lockergestein, das sich sowohl aus Trümmern das Magmas (Diabas) als auch aus zurtrümmerten, mitgerissenen Sedimentgesteinen der Umgebung zusammensetzt und später verfestigt wurde.
Der Diabas-Tuff vom Felsberg liegt in einem Zug von vulkanischen Ergüssen und zugehörigen Tuffen, der sich vom Wennetal im Westen bis zum Diemeltal im Osten erstreckt, in nord-südlicher Richtung aber oft nur wenige 100 Meter schmal ist. Die wegen der grünlichen Färbung des angewitterten Gesteins auch als „Grünsteinzug“ bezeichnete Gesteinsschicht liegt auf schwarzen Tonschiefern und ebenso dunklen körnigen Kalksteinen und wird durch derartige, als Flinz bezeichnete Gesteine auch überdeckt.
Im Verlauf der sich über einen unbekannten Zeitraum fortsetzenden, aber von Ruhepausen unterbrochenen vulkanischen Tätigkeiten wurden aus vermutlich mehreren, auseinanderliegenden Eruptionszentren auch Lockergesteine gefördert. Sie setzen sich aus Bruchstücken (Lapilli) zertrümmerter, schon erstarrter Lava zusammen, enthalten aber auch Einschlüsse von Sedimentgesteinen aus der Umgebung des Förderschlotes. Diesem, in verfestigtem Zustand als Diabas-Lapillituff bezeichneten Gesteinstyp entspricht das Gestein der Schmallenberger Skulptur.
Auf den ersten Blick erscheint das massige graue Gestein im ganzen homogen, sieht man jedoch genauer hin, so entdeckt man an manchen Stellen der angewitterten Oberfläche, daß es sich aus abgerundeten mm- großen Gesteinsbröckchen aufbaut, die durch kalkiges „Zement“ fest miteinander verbacken sind. In einigen Bereichen fallen schwärzlich gefärbte mm-goße Einschlüsse auf: zumeist durch das Mineral Chlorit gefüllte ehemalige Blasenräume des aus der flüssigen Lava hervorgegangenen Diabas-Gesteins. Diese feinen Bläschen bildeten sich in dem noch nicht erstarrten Schmelzfluß durch Gase, die aus dem Magma entwichen. Erst sehr viel später wurden sie durch Minerale, die sich aus dem Gestein zirkulierenden Lösungen ausscheiden, geschlossen. Heute ist die weiche Chloritfüllung auf den der Verwitterung ausgesetzten Gesteinsoberflächen oft wieder herausgelöst. Auch der Lapillituff des Schmallenberger Denkmals zeigt die in den Tuffen des Grünsteinzeugs häufiger zu beobachtenden größeren Einschlüsse von Sedimentgestein. Besonders deutlich fallen in der Zeichnung des Bettlers zwei bis ca. 8 cm im Durchmesser große abgerundete Bruchstücke eines grauen, dichten Kalksteins auf. Es handelt sich dabei um Flinz-Kalksteine der Umgebung der Förderspalte, die beim Auswurf der Lockergesteinsmassen mitgerissen wurden. Doch auch ein weiteres, erdgeschichtliches einschneidendes „Ereignis“ schnitt seine Spuren in den Fels des Schmallenberger Monuments: die auch den Raum des Sauerlandes betroffene Entstehung des Rheinischen Schiefergebirges zur Zeit des oberen Karbons, vor ca. 295 Millionen Jahren. Auf die bei dieser Gebirgsbildung frei gewordenen Kräfte weisen von oben nach unten verlaufende Striemen auf der Rückseite der Felsgruppe hin. Es sind Bewegungsspuren, die entstanden, als die Gesteinsschichten in Falten gelegt und dabei gegeneinander bewegt wurden. Auf diesen Striemenflächen (Harnische), aber auch auf mehreren ursprünglich des Gesteins durchschneidenden, heute offen liegenden Klüften setzte sich später weißer Kalkspat, der aus kalkhaltigen Verwitterungslösungen ausgefällt wurde, ab.
So erinnert die Schmallenberger Steinskulptur auch an Ereignisse, die lange vor dem Erscheinen des Menschen in der Tiefe der Erdgeschichte abgelaufen sind. Daß nicht nur die Menschheit, sondern auch unsere Erde eine durchaus „lebendige“ Geschichte hinter sich (und auch noch vor sich!?) hat, das wird durch die scheinbar so homogenen Felsen in Schmallenbergs Mittelpunkt dokumentiert.)